alter berliner weihnachtsmarkt ::: 93/365

Laß die Glocke läutem vom Dome,
Keiner hört es im Menschenstrome.
Christmarkt, Waldteufel, Trompeten, juchhei!
Wenig Wolle und viel Geschrei.
Alles besehen, wenig erstehen,
Nur zum Pläsier mal darüber gehen,
Eine Baßgeige sich kaufen wollen,
Mit einer Knarre nach Hause sich trollen, –
Für einen Sechser Schmalzkuchen schmecken,
Mumpitz machen an allen Ecken –
Mag auch der Regen vom Himmel fließen,
Das muß der wahre Berliner genießen,
Schuster und Schneider, Jüngling und Mann,
Jeder, der es sich leisten kann.

(Karl Henckell)

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Dieses ist mein letztes Weihnachtsgedicht. Ich weiß gar nicht, ob es so passend ist: ich war noch gar nicht auf dem Weihnachtsmarkt dieses Jahr, nicht in Berlin und auch sonst nirgendwo. Und natürlich ist kein Weihnachtsmarkt heutzutage noch so, wie er hier beschrieben wird. Andererseits ist er eigentlich genauso, wenn man ihn in die heutige Zeit überträgt.

Ich bin heute wieder durchs dichte Schneetreiben über die Karl-Liebknecht-Straße gefahren und dabei an dem Weihnachtsmarkt vorbeigekommen, der sich vom Roten Rathaus bis zur Marienkirche, vom Fernsehturm bis zur Spandauer erstreckt. Das Riesenrad drehte sich langsam und bunt beleuchtet und von der Eislauffläche am Neptunbrunnen schallte die Musik herüber. Meine Kinder lieben diesen Weihnachtsmarkt, weil er eigentlich alles bietet, was Kinder an dieser Art Belustigung lieben: Rummel, ein bisschen Weihnachtskitsch, ein Kettenkarussell, Würstchen und Waffeln und lustige Mützen, eine Runde Ponyreiten und eine Runde Eislaufen. Und wenn man Glück hat, den Weihnachtsmann.

Ich fühle da eher ambivalent. Ja, ich gehe gerne mit meinen Kindern dorthin, weil sie so glücklich dabei sind und ich es liebe, ihre strahlenden Gesichter anzuschauen, wenn sie in ihren Sitzen im Kettenkarussell an mir vorbeifliegen und mir winken. Weil ich es liebe, wenn sie (mal wieder) wirklich glauben, DAS sei der echte Weihnachtsmann. Obwohl bei uns das Christkind kommt und kein Weihnachtsmann. Und weil es sie, den Vater der Kinder, mich, uns alle glücklich macht, etwas zusammen zu unternehmen, ganz gleich was. Aber hätte ich keine Kinder – ich würde diesen Weihnachtsmarkt sicherlich nicht besuchen. Schon eher den auf dem Gendarmenmarkt, aber dann am Vormittag, wenn es nicht so voll gestopft ist mit Touristen. Oder den in der Kulturbrauerei, der ziemlich viel Kunsthandwerk bietet und insgesamt nicht so rummelig ist. Oder ich würde es ganz lassen. Möglicherweise.

So aber steht mir dieses Jahr der Besuch des Weihnachtsmarktes noch bevor. Seufz. Die Kinder freuen sich schon.

christmas in a jar

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